Perspektivwechsel – den eigenen Blick einfach mal in eine andere Richtung lenken 

21. Juni 2021

Der französische Schriftsteller und Sozialkritiker Marcel Proust hat einmal folgenden, klugen Satz gesagt: „Die besten Entdeckungsreisen macht man nicht in fremden Ländern, sondern indem man die Welt mit neuen Augen betrachtet.“ 

Ich finde, deutlicher kann man gar nicht sagen, dass ein Perspektivwechsel, also die Änderung der eigenen Anschauungsweise, spannende, ja ganz neue Einsichten zur Folge haben kann.  

Manche Menschen glauben, dass man die gesamte Welt bereisen müsste, um Wissen, Freude und Glück zu entdecken. Andere suchen ihr Glück im beruflichen Erfolg. Wiederrum andere verharren im Gefühl des Unglücks. Doch Glück liegt doch eigentlich immer im Auge des Betrachters oder? Liegt es also nicht irgendwie in unserer eigenen Hand und in der eigenen Verantwortung, unsere Anschauungsweise so zu verändern, dass man Neues entdeckt – das sich einem schlichtweg das Glück von selbst öffnet?  

Wer einen Perspektivwechsel für sich als Haltung manifestiert, der kann damit auch seine eigenen Probleme durchdringen. Da möchte ich gerne noch ein Zitat anbringen. Diesmal von Albert Einstein: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Was ein kluger Satz!  

Um Probleme zu lösen, muss man sich von der eigenen gewohnten Denkweise abbringen, ganz neue Bahnen einschlagen und bewusst die Richtung wechseln. Doch wie kann das gelingen? Der Berg, vor dem man manchmal steht, sieht ziemlich groß aus. Auch hier noch einmal ein Impuls von mir: Niemals lässt eine Situation mich reagieren, sondern immer nur die Bewertung eben jeder Situation!  

Zwischen der Situation und der anschließenden Reaktion steht also die Bewertung, die sich meist blitzschnell an Erfahrungen oder Denkmuster orientiert. Was dann passiert, ist eine Reaktion, die scheinbar aus dem Affekt herauskommt, uns aber nicht immer gut tut.  

Stellt Euch mal die folgende Situation vor:  

Georg fühlt sich seit langer Zeit nicht mehr wohl in dem Unternehmen, für das er arbeitet. Er hat das Gefühl keine Wertschätzung mehr zu erhalten für das was er tut. Dabei bemüht er sich sehr, denn er weiß, dass er mit 55 Jahren nicht mehr der Jüngste ist. Georg hat ständig das Gefühl, dass er nicht mehr so viel Wert ist wie seine jüngeren Kollegen und Kolleginnen. Irgendwann macht sich bei ihm sogar das Gefühl breit, dass er schon bald durch einen jüngeren Mitarbeiter ausgetauscht werden könnte. Und einen neuen Job findet er dann ja ohnehin nicht mehr. „Wer stellt mich in meinem Alter auch noch mal ein?“ fragt er sich permanent selbst.  

Spätestens als Georgs Chef ihn an einem Tag in der kommenden Woche überhaupt nicht mehr beachtet, ist die Nummer für ihn ganz klar: „Bei der nächsten Entlassungswelle bin ich dabei.  Sonst schätzt mein Chef den engen Kontakt zum Team doch sehr, doch mich guckt er nicht mal mehr an!“ 

Georgs Realität ist erschaffen und wirkt sich umgehend auf seinen Alltag aus. Er macht Fehler, ärgert sich über sich selbst und nimmt die schlechte Laune dann auch noch mit nach Hause.  

Wenn Georg jetzt aber einmal einen Moment innehalten würde, könnte er sich die Gelegenheit geben, die Situation einmal ganz anders zu interpretieren. Vielleicht war sein Chef ja in Gedanken, weil er sich mit seiner Frau gestritten oder einfach nur schlecht geschlafen hat. Es gibt unzählige Möglichkeiten für das aktuelle Desinteresse an Georg.  

Was Georg jetzt tun kann? Er könnte sich erlauben, seine geglaubten Denkweisen zu verlassen und einmal eine andere Perspektive in Betracht zu ziehen.  

Er könnte sich mit dem Thema Älter-Werden beschäftigen, denn das scheint für ihn eins zu sein.  

Er könnte das Gespräch mit seinen KollegInnen suchen und sie um Feedback zu seiner Leistung, seiner Erfahrung und seinem Platz im Team bitten. 

Er könnte seinen Chef um ein vertrauliches Gespräch bitten und ihm von seinen Gedanken & Sorgen erzählen. 

Auch mit einer großen Portion Achtsamkeit, zu üben im Hier und Jetzt leben und sich damit auseinandersetzen, was für mich wirklich Wesentlich ist, gebe ich den Dingen einen neuen Rahmen und kann sie in neuem Licht betrachten. Sich in die Haut meines Gegenübers einfühlen, hilft ungemein um meine eigene Sichtweise zu erweitern. 

Einen Perspektivwechsel kann ich alleine, aber auch mit anderen machen. 

Bleiben wir bei Georg. Er will wirklich verstehen, was sein Chef wohl so über ihn denkt. 

Um alleine andere Sichtweisen einzuholen, braucht es Empathie. 

Um mich in die Gedankenwelt des Anderen einzufühlen. Was treibt meinen Chef wohl an? Was denkt er über mich? Wie stellt sich die aktuelle Situation für ihn da?  

Die Gefahr, eigene Interpretationen einzubringen liegt dabei auf der Hand. Aber hier hilft Übung. Denn über dieses Training, mich in den anderen hineinzuversetzen, bilden wir neue neuronale Muster in unserem Gehirn, die uns zukünftig schneller in die Lage versetzen, uns in andere hinzuversetzen.   

Die Perspektive durch andere einzuholen, geht über das Gespräch. Über das Einholen von Feedback. Das braucht Mut. Denn nicht immer wollen wir auf unsere Fragen auch ehrliche Antworten haben. Nicht immer angenehm, aber immer lohnenswert. Denn mal ehrlich, die eigenen trüben Gedanken und Interpretationen von Georg sind auch nicht angenehm und zielführend schonmal gar nicht.  

Also, probiert es aus. Den Perspektivwechsel. Es lohnt sich. 

Viele Grüße aus Kaarst! 

Eure Ulrike!