Es gibt Menschen, in deren Nähe fühlen wir uns richtig wohl. Kolleginnen und Kollegen, mit denen die Zusammenarbeit richtig gut läuft. Wo der Austausch beflügelt, Spaß macht und die gemeinsamen Mittagspausen immer wieder schön sind.
Und dann gibt es die Menschen, die uns anstrengen. Deren Anwesenheit uns mitunter sogar richtig unangenehm ist. Wir mögen ihre Art und Weise nicht, oder ihre Stimme. Wir finden ihre Einstellungen seltsam und ihr Verhalten sowieso. Mit einigen diskutieren wir, andere versuchen wir zu ignorieren, falls irgendwie möglich.
Am liebsten wäre uns, diese Menschen würden entweder aus unserem Leben verschwinden oder sich aber ändern. Beides tritt eher selten ein. Was können wir also tun? Außer über sie zu lästern?
Wir könnten etwas von genau diesen Menschen lernen. Genau von jenen, die uns schon jede Menge Nerven gekostet haben. Wie das gehen soll?So ganz einfach ist das nicht.
Der erste Schritt ist sicher erstmal sich für den Gedanken öffnen, dass Menschen nicht zufällig in unser Leben treten. Das wir durch jeden Kontakt etwas über uns selbst lernen können. Was spiegelt mir dieser Mensch? Welche Eigenschaften nerven mich am meisten? Und was hat diese Eigenschaft mit mir zu tun? Kenne ich diese Eigenschaft auch von mir? Oder hätte ich gerne etwas von genau dieser Eigenschaft?
Ich erkläre es mal konkret an einem Beispiel.
Carla ist gerne ihrer Firma. Sie ist beliebt und dank ihres Ehrgeizes und ihrer Leistungen auch anerkannt. Sie strengt sich immer sehr an, es allen recht zu machen. Für alle einzuspringen, immer ein offenes Ohr zu haben. Eines Tages kommt eine neue Kollegin in die Abteilung. Anne. Sie ist nett und freundlich. Sie ist noch relativ neu in der Branche und hat viele Fragen. Sie kokettiert auch gerne mit ihrer Hilflosigkeit und findet immer wieder Kollegen, die für sie die Arbeit mit erledigen. Carla merkt nach wenigen Tagen, dass ihr das auf den Nerv geht. Sie beantwortet gerne ihre Fragen, erklärt ihr Prozesse und Abläufe. Am nächsten Tag kommt Anne mit genau der gleichen Frage wieder zu Carla und diese merkt, wie ihre Geduld weniger wird. Alle anderen scheint das nicht zu stören. Die Kollegen sprechen nett über Anne und man ist allgemein der Meinung, dass sie sehr gut ins Team passt. Carla versteht das Getue um die neue Kollegin nicht. Alle wollen mir ihr Mittagessen gehen. Scheint denn niemand zu kapieren, das Anne faul ist und die anderen die Arbeit machen lässt?
Wenn Carla jetzt diesen Blog vorher gelesen hätte, dann wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass es genau die Eigenschaften sind an Anne, die sie sich selbst nicht traut zu leben. Offen zu Schwächen zu stehen, um Hilfe zu bitten, unperfekt sein zu dürfen. Und – dennoch gemocht zu werden. Sie selbst ist so groß geworden, dass sie nur über Leistung und Anstrengung Zuneigung und Anerkennung bekommen kann. Das sie ihre Schwächen möglichst niemandem zeigen und es allen recht machen sollte.
Würde Carla jetzt diesen Gedanken weiter zulassen und die dahinterstehenden Gefühle fühlen, dann wäre sie einen großen Schritt weiter. Denn sie würde lernen, dass ihre Glaubensätze sie antreiben.
Glaubenssätze sind unsere Prägungen, die sich so verfestigt haben, dass wir sie selten hinterfragen. Ein Glaubenssatz von Carla könnte lauten: Zeige niemals Schwäche oder aber auch “ Bitte nie um Hilfe, mache alles alleine“.
Wäre Carla jetzt bereit, sich diesem Gedanken zu öffnen, dann würde sie den Neid in sich spüren, auch einmal schwach sein zu wollen … und dennoch gemocht zu werden.
Sie könnte im ersten Schritt anfangen, dieses Gefühl von Neid zu akzeptieren. Es gehört zu ihr und zeigt ihr ein Bedürfnis.
Und dann könnte sie zunächst mit sich selbst anfangen. Und zu überpüfen, ob sie sich selbst eigentlich mag, wenn sie unperfekt ist. Vermutlich eher nicht. Und genau hier setzt dann die Veränderungschance an. Nach innen zu gehen, zu lernen sich zu mögen, unabhängig von der Leistung. Sich die Anerkennung zu geben, die sie so angestrengt im Außen sucht.
Wenn Carla das jetzt eine zeitlang üben würde, würde sie eine Veränderung feststellen. Sie würde milder werden. Mit sich und mit anderen. Sie würde keinen Neid oder auch Zorn auf Anne mehr verspüren, sondern eine innere Zufriedenheit.
All das könnte passieren, wenn Carla ihren Ärger als Hinweis auf ein eigenes, nicht befriedigtes Bedürfnis erkennt und die Chance ergreift, diesem Bedürfnis nachzugehen und für sich selbst zu sorgen.
Vielleicht habt auch ihr diese Menschen in Eurem Leben, über die ihr nicht müde werdet, herzuziehen. Pickt euch für den Anfang erst mal einen dieser Menschen heraus und fangt an, Eure Gefühle zu analysieren.
Es lohnt sich.
Eure Ulrike