Umgang mit Widerstand – oder wie man den Stier bei den Hörnern packt

1. Februar 2021

Wir alle lieben es, wenn man unserer Meinung ist. Gar keine Frage. Doch was passiert, wenn es anders ist? Egal ob im Job oder zuhause, wir haben eine Idee, eine Vorstellung, ein Bedürfnis und unser Gegenüber ist leider einer anderen Meinung.

Die allermeisten Menschen fühlen dann spontan Ärger, Enttäuschung, oder Ungeduld, weil man jetzt mehr Zeit und Mühe investieren muss, um seine Idee dann doch durchzusetzen.

Da gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Die einen werden direkt mal lauter. Die anderen wiederholen einfach nur das Vorher-Gesagte, getrieben von der Hoffnung, dass mein Gegenüber es nur nicht ganz richtig verstanden hat und spätestens nach der Wiederholung jetzt meiner Meinung sein wird. Die Dritten werden direkt ungehalten und starten mit Vorwürfen. Die Vierten ziehen sich frustriert zurück und ärgern sich heimlich.

Gemeinsam haben jedoch fast alle, dass Sie in einem solchen Fall mehr oder weniger von der eigenen Idee überzeugt sind und es kaum schaffen, den Argumenten des Anderen bis zum Ende zuzuhören, denn wir sind schon damit beschäftigt, die Gegenargumente zu sammeln und uns aufzurüsten für den Kampf.

Am Ende gewinnt derjenige, der lauter war, rhetorisch besser, hierarchisch höhergestellt oder anderweitig Druck ausgeübt hat. Das mag das ein oder andere Mal in Ordnung sein, aber mit Augenhöhe, partnerschaftlichem Umgang und wirklicher Wertschätzung hat das nichts zu tun.

Doch wie kann es dann anders gehen?

Zunächst einmal ein Satz, von dem ich tief überzeugt bin, und der sicher jetzt für Erstaunen sorgen wird:

Widerstand ist ein wunderbarer Hinweisgeber! Vielleicht ein bisschen lästig, aber in jedem Fall richtig wichtig, wenn wir ihn dann nicht als persönlichen Angriff erleben.

Ein zum Ausdruck gebrachter Widerstand zeigt mir ganz viel von meinem Gegenüber. Nämlich, dass dieser gute Gründe hat, anderer Meinung zu sein. Und da wir ja alle unsere Meinungsfreiheit so lieben und gerne leben, sollte der erste Schritt sein, dem anderen seine eigene Meinung zu lassen, auch wenn sie in dem Fall leider anders ist als meine eigene. Das ist erstmal eine Haltung von Akzeptanz und Augenhöhe.

Ich bin okay – Du bist okay. Der Satz von Marshall Rosenberg aus der Gewaltfreien Kommunikation beschreibt genau das Phänomen.

Jeder hat das Recht, zu denken was er möchte. Es geht nur darum, gemeinsame Lösungen zu finden. Und das gelingt am ehesten, wenn ich selbst davon überzeugt bin, dass jeder seine Meinung haben darf und es nicht schon allein deshalb unverschämt ist, weil es meiner Bedürfnisbefriedigung gerade etwas im Weg steht.

Wenn ich also diesen ersten Haltungsschritt gemacht habe, dann geht es im nächsten Schritt darum, diesen Widerstand zu begreifen. Zu verstehen, was die tatsächlichen Hintergründe sind.

Es gibt unterschiedliche Arten von Widerständen:

Da ist zum einen der rationale Widerstand. Hier hat derjenige sachliche Verständnisfragen.

Als Beispiel: Ich erfahre als Mitarbeiter, dass Urlaubsperren eingeführt werden sollen. Ich rege mich direkt auf und sehe meinen gebuchten Urlaub in Gefahr. Ich schimpfe herum und frage dann meinen Vorgesetzten, was das konkret heißt. Dieser informiert mich dann, dass es nur den Monat März betrifft. Da ich im August in Urlaub fahren wollte, beruhige ich mich ganz schnell wieder. Das heißt, ich habe eine konkrete Frage, bekomme eine konkrete Antwort und mein innerer Widerstand löst sich auf.

Dann gibt es den politischen Widerstand. Der entsteht, wenn ich Angst davon habe, an Macht und Einfluss zu verlieren. Dieser wird meist nicht offen gezeigt, sondern man spielt über Bande, schmiedet Allianzen, enthält der neuen Kollegin Informationen vor und dies lässt sie im Meeting vor dem Chef inkompetent und unvorbereitet aussehen. Ich kann mich dann noch freundlich entschuldigen und versprechen das nächste Mal besser auf den Informationsfluss zu achten, aber der Punkt geht dennoch an mich, da jeder diese unangenehme Situation im Meeting im Kopf hat.

Der Widerstand, der uns jedoch am häufigsten begegnet ist der emotionale Widerstand. Er speist sich aus Gefühlen, Ängsten, konträren Bedürfnissen und Sorgen. Auch dieser wird oft verklausuliert gezeigt und es entwickelt sich eine Pseudo-Fachliche Diskussion ohne Lösung. Das ist dann ein Hinweis, dass es eigentlich um etwas ganz anderes geht, was aber noch nicht auf dem Tisch liegt.

Als Beispiel: Ich werde von meiner Chefin gebeten, eine Extra-Arbeit für Sie zu erledigen.

Ich wehre mich innerlich, weil sie sich bei der letzten Sonderaufgabe weder bedankt, noch mir Feedback zu meiner Ausarbeitung gegeben hat. Das habe ich ihr nicht vergessen, weil es mich einfach gekränkt hat. Jetzt steht sie wieder vor mir und ich rede mich raus, warum ich definitiv mit dem aktuellen Projekt so viel zu tun habe, dass es leider nicht geht. Sie sucht nach Lösungen, aber ich blocke alles ab und hab für jede Idee von ihr, wie es doch gehen kann, eine andere ablehnende Begründung.

Wie gut wäre es, wenn ich mich trauen würde ehrlich über meine Kränkung zu sprechen? Und wenn ich das als Arbeitnehmerin nicht kann, dann wünsche ich es mir von meiner Führungskraft. Das diese dazu in der Lage ist, zwischen den Zeilen zu lesen. Und meine NEINS nicht als Bockigkeit abtut, sondern als Hinweis darauf, dass irgendetwas nicht stimmt.

Und wenn meine Chefin dann noch in der Lage wäre, aktiv zuzuhören, nachzufragen, was denn los sei, meine Stimmung zu spiegeln und wirkliches Interesse an meiner Ablehnung die Aufgabe zu übernehmen, zeigen würde, dann würde ich mich ihr irgendwann anvertrauen und wir würden über so viel wichtigere Dinge ins Gespräch kommen. Nämlich wie unser Miteinander ist, was wer vom anderen erwartet und was wir aneinander schätzen und wo wir uns noch weiterentwickeln dürfen.

Das alles kann entstehen, wenn einer von beiden Gesprächspartnern den Widerstand als Hinweis betrachtet und nicht als Angriff, den es abzuschmettern gilt.

Voraussetzung ist hier allerdings, dass ich, die den Widerstand bei meinem Gegenüber, mich selbst zunächst einmal zurücknehmen kann und dem anderen die Bühne bereite. Ihm zuhöre, nachfrage, zwischen den Zeilen lese, spiegle was ich wahrnehme, nach Gefühlen und Bedürfnissen frage – und dann, wenn alles auf dem Tisch liegt, dann sind erst konstruktive Lösungen möglich. Vorher definitiv nicht.

Vielleicht hat diese Erläuterung dem einen oder anderen gezeigt, wie wichtig Widerstände sein können und wie viel einfacher das Leben wird, wenn man sie erst einmal aus dem Weg geschafft hat.

Eure Ulrike Garstman